Sunday, April 8, 2012

Eine kleine Einführung in den amerikanischen Teen Alltag


     Die durch Film- und Fernsehen so glamourös hingestellte amerikanische Highschool reicht von der neunten bis zur zwölften Klasse, wenn die Schüler zwischen vierzehn und achtzehn Jahre alt sind. In Amerika gibt es keine Trennungen wie Hauptschule, Realschule oder Gymnasium, das Wort gymnasium oder kurz, gym, wird aber für die Turnhalle benutzt. Alle Schüler gehen zusammen durch das gleiche Schulsystem. Der einzige Unterschied besteht im Schwierigkeitsgrad der Pflichtfächer und an der Wahl der sekundären Fächer. Von Einfach (Basic) bis Fortgeschritten und Begabt kann man Mathe, Englisch, Weltkunde, Chemie, Bio, Gesundheitslehre und Physik belegen, und dann je nach Interesse, Berufsziel und Intelligenz verschiedene Sprachen, Haushaltslehre, Werken, Kunst, Chor, Sport oder Tanz dranhängen. Dazu kommen am Nachmittag und Wochenende die außerschulischen Aktivitäten wie Theater, Football, Tennis, Baseball, Schwimmen, Wrestling, Debattieren usw. Je besser die Schule, desto mehr Angebot und Andrang. Kommt der überförderte Teenager dazwischen nach Hause, packt er seine Tasche für die nächste Aktivität wie Ballet, Musikunterricht, Girl Scouts oder seinen Halbtagsjob, den fast jeder Sechzehnjährige braucht, um sich Benzin, Versicherung und Raten für seinen Gebrauchtwagen leisten zu können. Spät nachts kommt er dann endlich heim zum Hausaufgaben machen. Viele Freunde meiner Tochter schaffen es erst um zwei Uhr morgens ins Bett. Gegessen wird meistens im Auto.

     Seit dem Columbine Highschool Massaker in Colorado, und natürlich den Terroristenanschlägen vom 11. September, müssen alle Schüler eine ID Karte mit Foto um den Hals tragen. Diese dient weniger dem Verhindern von weiteren Anschlägen als zum Identifizieren des Opfers nach einem Attentat. In jeder Schule sind Polizisten praesent und Innercity Schulen haben metal detectors wie es sie auf den Flughaefen gibt. Nach jeder Unterrichtsstunde werden die Klassenzimmer gewechselt und zum nächsten Lehrer in einem anderen Raum gepilgert, was natürlich die endlosen Gänge mit krakeelenden und gestreßten Teenagern und totalem Chaos verstopft. Es bedeutet auch, daß man täglich mit ständig neuen Klassenkameraden zusammentrifft, die man letztes Jahr noch nicht mal gesehen, geschweige denn gekannt hat. Das Mittagessen wird in der schuleigenen Cafeteria eingenommen, zu dem man entweder ein in einen braunen Papierbeutel gehülltes Mitgebrachtes ißt, oder für $2 bis $3 von einem sich täglich ändernden Menü sein Lunch kaufen kann. Lunch in der Cafeteria ist der wichtigste Teil des Schultages und bestimmt das Sozialleben der Schüler durch eine in Stein gemeißelte Rang- und Sitzordnung, die vom Aufsichtspersonal machtlos überwacht wird. Für Außenseiter der untersten Beliebtheitsstufe ist es natürlich eine unsagbare Qual.

     Jede Schule hat eine Krankenstation mit Betten und mindestens eine zuständige Krankenschwester. Diese ruft die Eltern an, wenn ein Kind wegen Krankheit oder Unwohlsein abgeholt werden muß und sie ist die Einzige, die während der Schulzeit die vom Schüler mitgebrachte Arznei verabreichen darf.

     Schultänze sind nur mit einer vorgeschriebenen Anzahl von Erwachsenen und einem wohldressierten DJ erlaubt, der den Anwesenden genau vorkaut wie sie sich zu bewegen haben, wann sie in Stimmung zu sein haben, und wann es 23 Uhr ist, denn da ist jeder Tanz zu Ende. Die Erwachsenen sind dazu da, um auf genügend Abstand zwischen den tanzended Paaren zu achten und daß um Himmelswillen nicht geraucht, geküßt, gekifft und getrunken wird, was natürlich überhaupt nichts bringt. Viele Highschool Schüler werden noch vor ihrem 18. Geburtstag schwanger, drogensüchtig, alkoholabhaengig oder landen vor dem Jugendrichter.
     Das Führerscheinalter in New Jersey ist sechzehn Jahre, in manchen Staaten sogar fünfzehn, wird aber meistens stufenweise erreicht. Der theoretische Teil wird als Unterrichtsfach in der Schule täglich ein Quartal lang unterrichtet, danach wird die theoretische Prüfung gemacht, welche zugleich eine Note im Zeugnis ist. Bei Bestehen bekommen die Schüler einen Fahrerlaubnisschein, mit dem sie sechs Übungsstunden ($300) durch eine Fahrschule belegen und danach bis zur praktischen Fahrprüfung am siebzehnten Geburtstag mit einem Erwachsenen, der seit mindestens drei Jahren den Führerschein hat, üben können. Ab siebzehn und dem Bestehen dieser Prüfung dürfen sie dann bis Mitternacht und wieder ab fünf Uhr morgens mit nicht mehr als einem Fahrgast die Straßen unsicher machen. Versicherungen wollen verhindern, daß der noch unsichere Fahrer durch andere im Auto abgelenkt wird.

     Ich muß wohl nicht hervorheben, daß der amerikanische Teenager total überzüchtet und ausgebrannt ist, und oft an Depressionen leidet. Er ist eine Kreation von superehrgeizigen Immigranten, die ihre Familienwerte entweder beim Überqueren des Atlantiks von Bord geworfen oder gar nicht erst eingepackt haben, und die einem eigentlich nur Leid tun koennen.

     Amerika wird vom Dollar regiert, Gott wurde von den Schulen verbannt, und der Besuch von Shoppingmalls wird dem Besuch der Großeltern vorgezogen. Ich bin stolz, daß mein eigener Teenager, Allyson, abends um half elf im Bett war, in der Schule durchschnittliche Fächer belegt, nur während der Sommerferien arbeitet, und gerne Verwandte in Deutschland besucht.

Ich wohne nun schon seit zwanzig Jahren in New Jersey und erlebe das amerikanische Schulwesen und das ganze amerikanische System parallel durch meine Tochter und meinem aus New York gebuertigen Mann, Rich, mit. Allyson fühlt sich hier wohl und ist durch und durch amerikanisch, wenn sie auch eine Mutter hat die mit einem unverkennbaren deutschen Akzent spricht. Aber viele ihrer Freunde haben Eltern die in einem oft unverständlichen Kauderwelsch kommunizieren, oder die englische Sprache gleich gar nicht beherrschen.